und weil eure Waffen
    nach hinten losgehen
    treffen sie mein Herz
    
    ausgeblutet passe ich nun
    noch weniger
    in eine Schachtel
    
    und der Mannsgott
    der erst erscheint
    wenn wir es nicht mehr glauben
    
    macht mich ewig
    umgehen im Schoß
    dieser Erde
    
    die gnadenlos liebt wie ER
    nur jetzt schon und hier
    und Mutter
    
    ganz Mutter
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Erbsünde
die DNA des Menschen
             eine Doppelwendel
             Treppe nach unten
    
             langkettiges Genom
             Bausteine aus Untat
             und Rache
    
             wutgepaart
             und Andockstelle
             wiederkehrender Vergangenheit
    
             programmiert wohl
             alarmiert jetzt
             denaturiert nicht
    
             weil erbsündig
             lehrt seine Kirche
             und dass es den Jüngsten Tag braucht
    
             für eine Mutation
             zur Helix
              der
    Menschlichkeit        
    
    ich glaube ihr nicht
    denn jeder Tag
    ist mein jüngster
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        Das Putinkinsche Dorf
        
        Hereinspaziert! Hereinspaziert in das Putinkinsche Dorf des Ladimir! Schnuppern sie Zirkusluft zwischen Wagenburgen, Schaubuden, inmitten von lebensechten Attrappen, Illussionsgeschäften und
        begnadeten Possenreißern. Verbringen Sie einen Tag im Spiegelkabinett herausgeputzter Fassaden. Sie werden nicht mehr gehen wollen. Schreiten Sie unser Imperium ab, unser Himmel-Hölle-Spiel,
        mit lockerer Hand auf Grund und Boden gezeichnet. Sie werden Kreide in die Hand gedrückt bekommen und in kreativer Leichtigkeit an der Erweiterung unserer Einflusssphären mitwirken.
        Spielerisch lassen wir miteinander die Welt über ihre Angst springen. Weniger Couragierte dürfen die Kreide auch fressen, um die Friedfertigkeit des Putinkinschen Dorfes zu unterstreichen.
        Überzeugen Sie sich von der weltumspannenden Dimension unseres Machwerks und begreifen Sie ein für alle Mal: die Welt ist ein Dorf. Die Welt ist unser. Werden Sie Teil dieser einen, großen
        Familie. Lachen Sie von unseren Fototapeten, nachdem sie sich bei einem Tänzchen mit Ladimir abbilden haben lassen. Verspiegelte Schauseiten reflektieren glanzvoll unser Tun. Außen pfui und
        innen hui, dort der Schein und hier das Sein, bei denen der Terror bei uns das Volk, Brot und Spiele.
        Hereinspaziert! Hereinspaziert! Schwingen Sie sich durch das orthodoxe Drehkreuz unserer klerikalen Mitbrüder und erwerben Sie für die Abendvorstellung einen Platz in einer der
        Patriarchen-Logen. Freuen Sie sich darauf, zwischen dem iranischen, ungarischen und türkischen Ehrensektor zu sitzen. Denn wenn es heißt „Manege frei“ geht der Zauber erst richtig los. Die
        Arena öffnet sich für Jongleure, Feuerschlucker und Seiltänzer jeglichen Couleurs. Das allabendliche Vorprogramm bildet die österreichische Hündchen-Dressur, bei der sich das Auditorium beim
        Anblick Männchen machender Promenadenmischungen warmlachen kann. Neben dem Über-die-Stange-Springen beherrschen die drolligen Tierchen Pirouetten, Hula-Hoop, Spagat, Verbiegungen sowie die
        überdehnte Brücke, eine akrobatische Besonderheit, für die sie sich aufgrund eines fehlenden Rückgrats eignen. Die Hündchen werden wegen der leichten Dressierbarkeit ihrer Rasse immer wieder
        gerne vorgeführt.
        Es folgen menschliche Pyramiden, Schwungtrapez und Salto Mortale ohne Sicherheitsnetz. Im Todesrad erleben Sie Beute-Artisten, die nach rascher Einbürgerung die große Tretmühle bedienen. Sie
        laufen darin um ihr Leben und zeigen, auf diese Weise hochmotiviert, was sie noch drauf haben. Neuerdings befinden sich auch einbeinige Veteranen unter unseren Akrobaten. Sie sind auf den
        Russischen Barren trainiert, die elastische Stange, von der sie stehend oder sitzend hochgeschleudert werden, um während der Flugphase heldenhafte Posen einzunehmen. Da die putinkinsche Show,
        abgesehen vom österreichischen Hündchen-Vorprogramm, nichts zum Lachen ist, finden sich Clowneinlagen nur zur Überbrückung der Umbauphasen. Sowohl der Weißclown als auch der dumme August
        arbeiten ohne Sprache, werden daher aus Journalistenkreisen rekrutiert. Von Umerziehungslagern Heimgekehrte leisten auf diese Weise ihren Bewährungsdienst ab.
        Den Höhepunkt der patriotischen Schauspiele bildet die Freak-Show, eine exotische Völkerschau unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen. Direktor Ladimir hält dabei den Daumen am roten Knopf,
        betätigt diesen jedoch nur, wenn einer vom abtrünnigen Brudervolk, einer der hochaggressiven Nazis, der lächerlichen Gasschlucker und Getreidefresser aus ihren Käfigen zu entkommen droht.
        Niemand zweifelt daran, dass Ladimir sich mit Bestien auskennt, riecht er doch selbst wie eine. Gerade deshalb verzichten die Vorführungen im Putinkinschen Dorf bis auf zwei Ausnahmen auf
        Tiere. Die erste ist das Ablegen des russischen Bären auf einem abendlich wechselnden Menschenteppich, die zweite der allseits beliebte Flohzirkus.
        Dieser wird von Ladimir selbst zelebriert. Die von der Front mitgebrachten Kleintiere bewegen winzige Panzer, an die sie mit Silberfäden gebunden sind, und schießen auf Minischulen und
        -krankenhäuser. Die Flöhe taugen als Schützen, da sie, geschickt auf eine kleine Kugel gesetzt, diese beim Sprungversuch von sich schleudern. Aufgrund der geringen Größe der tierischen
        Artisten und der zugehörigen Bühne ist der Flohzirkus in einem koffergroßen Mienenfeld untergebracht. Da es sich bei dem Flohzirkus um das Lieblingsstrategiespiel unseres Direktors handelt,
        herrscht bei den zeitlich unbegrenzten Darbietungen Totenstille, obwohl es eigentlich nichts zu sehen gibt. Jeder unter der Zirkuskuppel erkennt die schier unermessliche Größe des Dompteurs
        angesichts der Kleinheit seiner gezähmten Widersacher. Somit darf die Illusion im Putinkinschen Dorf auch ihren Platz haben. Alles andere ist ja die Wahrheit, nichts als die Wahrheit – so
        wahr uns Gott wie Teufel helfe.
    
        zu Gast
        
        wer seine Einladung erhält
        schlägt sie nicht aus
        
        an der Tafel die Toten
        nie wieder los
        
        auch Lebende
        bloß verlierbarer
        
        wie ich
        aus Angst nur
        
        er hebt den Löffel
        führt ihn zum Mund
        
        Kommando
        jetzt dürfen alle
        
        es wird geschluckt
        was das Zeug hält
        
        der Groll hinunter
        gewürgt an
        
        Schmach
        Schimpf und Schande dazu
        
        er löffelt
        nicht einmal die eigene Suppe aus
        
        bricht das Brot des Gerechten
        hebt den Wodka zu Ehren
        
        eigener Größe
        gottgleicher Macht
        
        den Trinkspruch
        auf Mütterchen Russland erhoben
        
        die Schattenhand mit der Gabel
        Rechts schneidet
        
        zwischen Recht und Unrecht
        verzehrt gierig die Speise
        
        zugleich sich selbst
        bis auf den Schatten
        
        seiner selbst
        am verlierbarsten von allen
        
        Gästen
        rund um den Tisch
        
        die Toten nicken einander und ihm
    
kumpelhaft zu
im Ofen knistern
neun Ringe aus Feuer
verweintes Schneegesicht
        
lidlos heute
        Augen darin nur Augen darin
        blutet der Krieg
        schießpulvert der Himmel
        bloß Himmel
        
        und -Höllespiel
        des Einen
        GottIchOhGott Oh GottIchOhGott
        scheint es verweint es
    
        sein Schneegesicht
        
        und ebnet die Leiter
        für Frau und für Kind
        bloß fort nur bloß fort
        nur  … bloß
        späht schon das Wolkenschaf
    
        späht es und rudelt zusammen
        den Wolf in die Spur
        scheinverhandelt den Frieden
        krüppelgebirkt in das Fenster der letzten
        der letzten Nachhut
    
        
        aus lidlos gebrochener Hoffnung
        Augen darin nur Augen darin
    
        blutet der Frieden
        schießpulvert der Himmel 
    
bloß Himmel
so und ganz anders
geht es weiter in "Anthrazit" / Gedichte und dergleichen / Duanna Mund
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